September 2020
Manuel Vado im Interview mit Business Talk
Manuel Vado, Partner bei ON Management spricht über das Thema Covid-19 und die Auswirkungen auf globale Lieferketten.
Die Corona-Krise hat die Schwächen des Just-In-Time-Managements mit langen Lieferketten gezeigt. Welche Auswirkungen hatte der Lockdown auf Ihr Unternehmen bzw. Ihre Kunden?
Auch unsere Kunden waren vom Lockdown teilweise stark betroffen. In den Lagern fehlten Komponenten und Zulieferteile, weil diese mit gravierenden Verzögerungen angeliefert wurden oder wenn möglich mit erheblichem Mehraufwand und zusätzlichen Verzögerungen teurer und anderweitig beschafft werden mussten. Ebenso hat die durch den Lockdown verzögerte Bearbeitung und Bereitstellung notwendiger Zolldokumente dazu beigetragen, dass globale Lieferketten ins Stocken geraten sind und die Frachtcontainer in verschiedenen Häfen zunächst abgestellt werden mussten bzw. nicht ausgeliefert werden konnten. Massiv war dies insbesondere bei Warenlieferungen aus China spürbar. Infolge des verursachten Stillstandes im Land fehlten Kapazitäten in allen Bereichen der globalen Logistik. Die geschilderten Problematiken führten zu Problemen innerhalb der Produktion und Fertigung unserer Kunden und wirkten sich unmittelbar auf die Produktverfügbarkeit aus bzw. führten zu längeren Lieferzeiten.
Welche kurzfristigen Maßnahmen im Supply-Chain-Management haben Sie aufgrund der Corona-Krise umgesetzt?
Zu Beginn der Einschränkungen haben wir versucht mit den Kunden festzulegen, wo die Prioritäten innerhalb der Beschaffungsprozesse liegen. Es galt die grundlegende Frage zu klären, welche Waren unbedingt beschafft werden müssen, um einen Produktionsstillstand zu verhindern und entsprechende Maßnahmen umgehend einzuleiten. In den vergangenen Monaten konnte glücklicherweise eine teilweise Entspannung der Situation beobachtet werden. Aktuell sind wir in enger Abstimmung mit unseren Kunden und überwachen kontinuierlich neue Entwicklungen in der globalen Logistik, um bei Bedarf schnellstmöglich reagieren zu können.
Werden Unternehmen in Zukunft auf höhere Lagerkapazitäten und kürzere Lieferketten setzen?
Die Corona Pandemie zeigt uns gerade deutlich, wie groß die Abhängigkeiten in einer langen Lieferkette sind. Sobald ein Teil der Lieferkette stockt, ohne direkt substituiert werden zu können, liegt die Lieferkette und damit die Produktion lahm. Außerdem führt der Rückgang der Nachfrage nach vielen Dienstleistungen zu Arbeitsplatzverlusten und einem geringeren aggregierten Konsum. Ob sich dadurch jedoch die GVC (Global Value Chain) sozusagen deglobalisiert, ist fraglich und hängt davon ab, wie viel Gewichtung der Produktionssicherheit gegeben wird. Natürlich sind kürzere Lieferketten und höhere Kapazitäten im Lager beruhigende und absichernde Möglichkeiten auf eine derartige Situation zu reagieren. Jedoch erhöht diese Art und Weise der Produktion die Kosten immens und führt dadurch zu einem Anstieg der Kosten für den Abnehmer. Wahrscheinlicher ist es, dass die Sicherheitsmengen angehoben werden, um im Falle einer erneuten Pandemie mehr Zeit für die alternative Lieferantensuche zur Verfügung zu haben.
Wird in Zukunft ein stärkerer Fokus auf nationale bzw. europäische Lieferanten gesetzt werden?
Einen kompletten Wegfall globaler Lieferketten schließen wir aus. Dies würde zu deutlichen Preiserhöhungen führen und wäre gegenüber den Kunden nicht durchzusetzen. Schon vor der Pandemie gab es Risikoanalysen für Ereignisse, die mit geringer Wahrscheinlichkeit auftreten könnten und auch geldlich bewertet wurden. Die Frage, die sich nun aber stellt ist, ob diesen Ereignissen eine ausreichende Gewichtung zugekommen ist was auch damit einhergeht, dass die Summen der zu erwartenden Ausfälle offensichtlich völlig falsch eingeschätzt wurden. Die höhere Gewichtung der Produktionssicherheit könnte durchaus zu mehr europäischen Lieferketten führen. Dies hätte auch den Vorteil, die europäische Wirtschaft unabhängiger zu machen. Dennoch werden viele Unternehmen ihr Risiko wohl auch mit Hilfe der Diversifikation ihrer Beschaffungsländer minimieren, welche dann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Europa sind.
Wie stark ist der internationale Handel betroffen und werden die Auswirkungen auch langfristig bestehen bleiben?
Der internationale Handel ist aus verschiedenen Gründen so stark betroffen, wie nie zuvor. Zunächst kam die Pandemie aus dem Nichts, weshalb die Unternehmen überhaupt nicht vorbereitet waren. Das der Ausbruch gerade in China als „Werkbank der Welt“ und zentraler Bestandteil der meisten Global Value Chains passierte, verbesserte die Situation natürlich nicht. Auch in Deutschland stammen laut statistischem Bundesamt etwa 10% aller Vorleistungen aus China. Ein weiterer Grund ist die zeitliche Verzögerung, mit der die Pandemie unterschiedliche Länder erreicht. Während die Produktion im März 2020 in China wieder hochgefahren wurde erreichte die Pandemie in Deutschland Ihren Höhepunkt mit Lockdown und Produktionsstopp in vielen Unternehmen. Das bedeutet es gab zunächst einen extremen Engpass an Produkten aus China, deutsche Unternehmen erhielten Ihre Vorleistungen nicht und konnten somit auch nicht produzieren. Als China die Produktion dann wieder hochfuhr gab es jedoch kaum noch Abnehmer, da in Deutschland nicht produziert werden konnte. Dies führt selbstverständlich zu einem starken Rückgang beider Wirtschaften und trieb viele Unternehmen an den Rand der Existenz. Durch den Produktionsstopp mussten viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit oder verloren sogar Ihren Job und gerieten in die Arbeitslosigkeit. Diese Gehaltsausfälle führen zu einem Rückgang der Nachfrage nach Konsumgütern. Durch diese, sich immer weiterdrehende Abwärtsspirale sind die gesamten Auswirkungen schwer vorherzusehen. In jedem Fall aber ist es bereits jetzt der stärkste Rückgang unserer Wirtschaft und es wird Jahre dauern bis Sie sich davon wieder erholt hat.
Wie kann die Politik unterstützen, um Lieferketten auch in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten?
Eingriffe der Politik sehen wir sehr kritisch. Von einem vermehrten Protektionismus halten wir nichts. Dies würde eine Verteuerung der Produkte nach sich ziehen und zudem die Produktvielfalt erheblich einschränken, da Unternehmen nicht mehr aus einer großen Anzahl von Lieferanten und Angeboten schöpfen können und somit sehr eingeschränkt in Ihrem unternehmerischen Handeln wären. Vielmehr sollte die Politik durch Kommunikation mit anderen betroffenen Staaten für möglichst geringe Handelsbarrieren sorgen und neue Wege für hürdenfreie Investitionen und Lieferketten schaffen. Dies könnten beispielsweise zeitweise Senkungen der Import und Export Zölle sein, ähnlich wie es national mit der Mehrwertsteuer umgesetzt wurde.
MANUEL VADO
Partner und
LBA-Ausbilder